Deftige Böen zerren an der Kleidung. „Der Wind ist momentan zu stark, wir können den Rotor nicht gefahrenfrei mit dem Kran hochziehen und montieren“, erklärt Jens Meyer. Der Ingenieur der RWE Innogy, die den Aufbau der Windkraftanlagen sicherstellt, bleibt gelassen. „Wir sind zeitlich im Soll.“ Jens Meyer betreut das sogenannte Re-Powering-Projekt der Green GECCO, bei dem veraltete Windkraftanlagen durch effizientere ersetzt werden. Süderdeich ist bereits der zweite Windpark, den das Gemeinschaftsunternehmen Green GECCO übernommen hat. Mit den neuen Anlagen wird es möglich sein, die Energieerzeugung um das Vierfache zu steigern.
Wir blicken die unfertige Windkraftanlage hinauf. „Der Rotor der Windkraftanlage hat einen Durchmesser von 71 Metern und ist aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt. Wenn der gegen den Turm schlagen würde, könnte er beschädigt werden. Mit den Blättern misst die Anlage übrigens eine Höhe von 99,5 Metern“, so Jens Meyer. Wir wenden uns den Rotorblättern zu, die im Kornfeld liegend auf ihre Montage warten. Hier auf dem Boden haben sie eine fast majestätische Wirkung – und Größe. Aus dem Inneren eines Rotorblatts tönt Lärm, Monteure führen letzte Arbeiten aus. Die wurden für den Turm bereits erledigt: 24 Pfähle, 22 Meter tief in die Erde gerammt, und insgesamt 224 Kubikmeter Beton waren für das Fundament nötig.
Stabile Energie für bis zu 6.000 Haushalte
Das gibt notwendige Stabilität, auch für Nabe, Rotor und Generator, die ein Gesamtgewicht von über 100 Tonnen haben. Stabil und dennoch variabel. „Der Rotor kann permanent neu justiert werden, wenn es notwendig ist. So können wir, egal aus welcher Richtung der Wind kommt, die Kraft optimal nutzen“, erläutert Jens Meyer. Jährlich erzeugt der Green-GECCO-Onshore-Windpark mit dieser modernen Technologie rund 20 Millionen Kilowattstunden – Strom, der für 5.000 bis 6.000 Vier-Personen-Haushalte reicht. Wir wollen sehen, wo genau der Strom entsteht: hinauf auf den Turm. Im Erdgeschoss erfahren wir, dass das ohne Steigerausrüstung und Ausbildung nicht machbar ist. „Und auch in den Keller dürfen wir nicht ohne Vorsichtsmaßnahmen. Da gehen unsere Elektrofachkräfte nur mit persönlicher Schutzausrüstung rein. Dort wechselt ein Trafo die 400 Volt Wechselspannung, die oben an der Nabe entstehen, in 20.000 Volt übertragungsfreundliche Wechselspannung.“ Diese ist so groß, dass sie unter ungünstigen Umständen 20 Zentimeter Luft problemlos überbrücken könnte. Ein guter Grund, den Keller zu meiden.
Erneuerbare Energien eine Herzensangelegenheit
„Ich möchte Ihnen noch eines sagen: Es ist eine Herzensangelegenheit, möglichst effektiv und effizient Projekte wie dieses zur regenerativen Energieerzeugung zu realisieren.“ Das Telefoninterview mit Dr. Norbert Ohlms, einem von drei Geschäftsführern der Green GECCO, endet mit einem persönlichen Bekenntnis. In knapp drei Jahrzehnten stand der 67-jährige Energieverbänden vor, bekleidete Geschäftsführerposten bei Stadtwerken und war Obmann – ein Mann, der im Zusammenschluss Green GECCO und auf dem Energiemarkt den Überblick behält. Obwohl die 29 Stadtwerke „nur“ einen Anteil von 49 Prozent halten und die RWE Innogy 51 Prozent, haben sie eine starke Position.
Zur Umsetzung der Projekte beschreibt Norbert Ohlms das Vorgehen: „Zuerst wird ein mögliches Projekt in den Stadtwerke-Gesellschaften sehr eingehend geprüft. Wenn 75 Prozent der Stadtwerke zustimmen, geht das Projekt in das Green-GECCO-Konsortium, wo wieder eine Zustimmung von 75 Prozent notwendig ist“, veranschaulicht Norbert Ohlms. Ein Prozedere, das schnelle Realisationen ermöglicht, da nicht mehr die Zustimmung eines jeden Aufsichtsrates eines jeden Stadtwerks erforderlich ist. Die Entscheidung für den Onshore-Windpark Süderdeich dauerte so nur zwei Monate.
Gelder müssen wirtschaftlich eingesetzt werden
„Wir wollen den Umbau auf erneuerbare Energien, diese Herkules-Aufgabe, vorantreiben“, betont der Green-GECCO-Geschäftsführer. „Dazu müssen Gelder wirtschaftlich eingesetzt werden, da sonst die Ziele nicht so realisiert werden können, wie sie es müssten.“ Deshalb ist man bei Green GECCO grundsätzlich für alle erneuerbaren Energien offen: „Alles, was sich lohnt, ist interessant: Das sind im Moment Windparks und Biomasse. Biogas ist durch die Art der Ländereien begrenzt. Solarthermie reizt uns sehr, auch im Offshore-Bereich sind enorme Potenziale, da müssen noch Erfahrungen gesammelt werden. Wir müssen immer sehen, was sinnvoll ist.“
Eine Milliarde Euro bis 2020 investieren
Dass einige effiziente wie zukunftsweisende Projekte zu erwarten sind, zeigt das Vorhaben der Green GECCO, bis 2020 eine Milliarde Euro in Projekte der erneuerbaren Energien zu investieren. Dann will man zu den „größeren Playern“ auf dem Markt gehören. Das Beispiel Süderdeich zeigt, dass Green GECCO auf dem richtigen Weg ist.